Technologieoffenheit hilft niemandem
Im politischen Diskurs fallen häufig die Begriffe „Technologieoffenheit“ und „Rahmenbedingungen“, vor allem wenn es um Zukunftsthemen wie Klimaschutz, Digitalisierung oder die Energiewende geht. Doch bei genauer Betrachtung entpuppen sich diese Begriffe oft als Schlagworte, die von eigentlichen Problemstellungen ablenken. Der Ruf nach Technologieoffenheit suggeriert, dass es genüge, der Marktlogik freien Lauf zu lassen und keine konkrete Richtung vorgibt, welche Technologien zu fördern sind. „Rahmenbedingungen“ wiederum klingt nach einer passiven Rolle des Staates, der lediglich die Spielregeln festlegt, während der Markt die Lösungen findet. Doch diese Ansätze sind in ihrer Umsetzung häufig nicht nur unzureichend, sondern gefährlich.
Technologieoffenheit als Ablenkungsmanöver
Technologieoffenheit bedeutet in der Theorie, dass alle Technologien gleichermaßen gefördert und bewertet werden sollen, um Innovation zu ermöglichen. Das klingt zunächst vernünftig, doch in der Praxis wird diese Offenheit oft als Vorwand genutzt, um Maßnahmen hinauszuzögern, die bereits längst entschieden werden könnten. Zum Beispiel wird im Bereich der Mobilität immer wieder der Begriff der Technologieoffenheit verwendet, um die Elektromobilität nicht zu stark zu fördern und gleichzeitig andere Antriebsarten, wie Wasserstoff oder synthetische Kraftstoffe, ins Spiel zu bringen. Dies führt oft zu einem Status quo, in dem wenig Fortschritt erzielt wird, da keine klaren politischen Prioritäten gesetzt werden.
Statt konkrete Vorgaben zu machen, welche Technologien sinnvoll sind, wird der Markt aufgefordert, die Entscheidung zu treffen. Das Problem hierbei ist jedoch, dass der Markt sich nicht ausschließlich an ökologischen oder sozialen Zielen orientiert, sondern vor allem an Profitinteressen. Technologien, die schnelle Gewinne versprechen, werden bevorzugt, auch wenn sie langfristig nicht nachhaltig sind. Ohne staatliche Eingriffe, die bestimmte Technologien gezielt fördern und andere eindämmen, dominiert also die kurzfristige Gewinnmaximierung, nicht das Gemeinwohl.
Rahmenbedingungen sind zu schwach
Ähnlich verhält es sich mit den oft geforderten „Rahmenbedingungen“. Diese Idee geht davon aus, dass der Staat nur einen Ordnungsrahmen setzen muss, innerhalb dessen der Markt Lösungen entwickelt. Der Staat solle sich aus der aktiven Gestaltung heraushalten und lediglich Regeln vorgeben, etwa durch Steuererleichterungen oder Subventionen. Doch gerade in zentralen Bereichen wie dem Klimaschutz zeigt sich, dass der Markt nicht von allein im Sinne des Gemeinwohls handelt, sondern oft nur dort, wo kurzfristige Profite zu holen sind.
Rahmenbedingungen allein sind oft nicht stark genug, um die richtigen Anreize zu setzen. Ohne klare Vorgaben oder Verbote (z.B. Verbrenner-Ausstieg oder strikte CO₂-Grenzwerte) agieren viele Akteure weiterhin so, als gäbe es keine Dringlichkeit. Dies liegt vor allem daran, dass mächtige Interessengruppen in der Lage sind, diese Rahmenbedingungen zu verwässern. Lobbygruppen, insbesondere aus der fossilen Energieindustrie oder der Automobilbranche, nutzen ihren Einfluss, um Regelungen zu verhindern oder abzuschwächen, die ihre Geschäftsmodelle gefährden.
Menschliche Unvollkommenheit und Eigeninteressen
Die menschliche Unvollkommenheit und die Interessen bestimmter Gruppen sind zentrale Gründe, warum der Markt nicht allein über den Erfolg von Technologien entscheiden darf. Akteure am Markt handeln in der Regel nach Eigeninteresse, und dieses Eigeninteresse ist nicht immer deckungsgleich mit dem, was für die Gesellschaft als Ganzes am besten ist. Im Gegenteil: Oftmals führt der Fokus auf Profit dazu, dass langfristige Nachhaltigkeit und Gemeinwohl hinten anstehen.
Ein prominentes Beispiel ist der Umgang mit fossilen Energieträgern. Trotz des Wissens um den Klimawandel und die Notwendigkeit, den CO₂-Ausstoß drastisch zu senken, wird weiterhin in fossile Energie investiert, weil kurzfristige Profite locken. Dies zeigt, dass menschliche Schwächen und egoistische Interessen häufig rationales, langfristiges Handeln verhindern. Ein weiteres Beispiel sind die großen Tech-Konzerne, die in ihrem Streben nach Marktbeherrschung oft über ethische Grenzen hinausgehen – sei es bei Datenschutz, Monopolbildung oder der Ausbeutung von Arbeitskräften.
Staatliche Eingriffe als notwendige Korrektur
In einer idealen Welt könnten Technologieoffenheit und Rahmenbedingungen funktionieren, wenn alle Marktakteure im Sinne des Gemeinwohls handeln würden. Doch die Realität zeigt, dass staatliche Eingriffe notwendig sind, um Fehlanreize zu korrigieren und den gesellschaftlichen Interessen Vorrang zu geben. Der Staat muss aktiv eingreifen, wenn Märkte versagen – sei es durch klare Förderprogramme für umweltfreundliche Technologien, durch Verbote besonders schädlicher Praktiken oder durch die Einführung von strengen Regeln und Kontrollen.
Ein Beispiel hierfür ist der Emissionshandel. Dieser Marktmechanismus, der den CO₂-Ausstoß in der EU reduzieren soll, funktioniert nur, weil der Staat klare Grenzen und Preise für Emissionen gesetzt hat. Ohne diese staatlichen Vorgaben würden Unternehmen weiterhin CO₂ ausstoßen, weil es kurzfristig billiger ist, als in nachhaltige Technologien zu investieren.
Staatliche Eingriffe sind also nicht das Gegenteil von Innovationsfreude oder freiem Markt, sondern ein notwendiges Instrument, um zu verhindern, dass kurzfristige Profitinteressen die langfristige Stabilität und das Gemeinwohl gefährden. Märkte müssen reguliert werden, um sicherzustellen, dass menschliche Unvollkommenheit und Partikularinteressen nicht zu irreversiblen Schäden führen.
Fazit
Technologieoffenheit und der Ruf nach bloßen Rahmenbedingungen klingen im politischen Diskurs oft nach Pragmatismus und Aufgeschlossenheit für Innovation. In der Praxis dienen diese Begriffe jedoch oft als Vorwand, um notwendige Entscheidungen aufzuschieben und Lobbyinteressen zu schützen. Angesichts der menschlichen Unvollkommenheit und der starken Einflussnahme durch mächtige Interessengruppen sind staatliche Eingriffe unverzichtbar, um den technologischen Fortschritt in die richtigen Bahnen zu lenken und das Gemeinwohl zu schützen. Ohne aktive staatliche Steuerung droht die Gefahr, dass kurzsichtige Profitinteressen die Zukunft unserer Gesellschaft gefährden.